Kürzlich hat uns folgende Frage erreicht:
“Ich war letzte Woche in den Kornaten mit einem KAT als Co-Skipper und die Hafenmanöver haben gut geklappt dank Deiner Schulung. Mit dem Skipper hatte ich eine Diskussion punkto Reffen des Vorsegels: Der Skipper hat das Vorsegel/Fock immer auf Amwindkurs aus-/eingerollt. Beim Reffen auf See hat er ebenfalls am Wind ein-/ausgerefft. Ich habe bei meinen Schulungstörns auf den Segelschifften gelernt, dass man die Fock-/Genua auf einem Vorwindkurs ein-/ausrollt, dass gleiche gilt beim Aus-/Einreffen auf See.
Wie handhabst Du das Reffen des Vorsegels?”
Diese Frage bekommen wir immer wieder, und die Antwort lautet:
Ein Stagsegel – also ein an einem Stag angeschlagenes Segel, egal ob rollbar oder nicht – kann auf jedem Kurs zum Wind gesetzt, geborgen, gerefft oder ausgerefft werden. Es gibt keinen Grund, das Segel „in den Wind“ zu stellen, im Gegenteil: Dadurch nimmt der scheinbare Wind an Bord zu, der Druck erhöht sich also nur noch mehr, und insbesondere des Einrollen, aber auch das Bändigen des schlagenden Segels am Vordeck bei einem „klassischen“ Vorsegel – wird unnötig erschwert. Wesentlich einfacher und materialschonender ist es, ein Stagsegel raumschots – also vor dem Wind – zu reffen/bergen. Hier ist der scheinbare Wind und damit der Druck geringer, deshalb machen wir das auch wenn möglich so.
Übrigens: Ein Roll-Vorsegel kann man ein- und ausrollen, und setzen und bergen. Das sind zwei verschiedene Vorgänge:
- Wenn man ein Roll-Vorsegel ausrollt, zieht man das Segel an den Schoten von der Rolle und rollt die Reffleine – hoffentlich kontrolliert, also ohne Überläufer – auf. Will man das Segel wieder einrollen, zieht man einfach an der Reffleine und rollt die damit wieder ab und das Segel auf.
- Das ausgerollte Roll-Vorsegel kann man – wie jedes Segel – mit Hilfe des Falls bergen. Also Fall lösen, und das Segel sollte aus dem Profil der Rollanlage gleiten. Wenn es also eine Problem mit der Rollanlage geben sollte, und sich das Segel nicht mehr einrollen lässt, kann es jedenfalls geborgen werden. Und auch das funktioniert auf Vorwindkurs wesentlich besser also auf Amwindkurs.
Also macht euch das Leben einfach und bedient euer (Roll-)Vorsegel auf Vorwindkurs.
George
Es gibt immer ein “Aber”. Es ist jedoch die Aufgabe des Skippers aus den Möglichkeiten, die in dieser Situation geeignetste zu wählen. Und hier ist der Hinweis, probiers doch mal auf downwind ein sehr guter.
Wir hatten genau die Situation. Staysail ist bei 32 kn gerefft. Aufschießer gefahren um ganz einzurollen.
Vor zwei Jahren hat es die Umlenkrolle für die Schot aus dem Boden gerissen und der “Genuawagen” mit seinen 3 kg Eisen flog mit der Schot auf dem Vordeck hin und her. Glück, dass es nur eine Macke im Teak gab.
Diese Jahr: Reffleine reist, Segel rollt voll aus. Schot ist jetzt zu lang und schlägt und verheddert sich an den Winschen am Mast. Segel und Restschot schlagen, hoher Seegang, gegen den angefahren wird, verängstigt die Crew, die nicht mehr nach vorne will. => Totalschaden am Segel.
Danke, danke für den naheliegenden Tipp, einfach mal 10 kn Wind rauszunehmen, indem man umdreht. Schade, dass ich da nicht alleine drauf gekommen bin.
Otto
Servus Hans,
als Anfänger bin ich etwas verwirrt … das Reffen des Vorsegels bei einem am Wind Kurs ist noch verständlich. Obwohl, wenn ich die zunehmende Windstärke “übersehe” dann ist das Rollen im Wind um einiges leichter und die Belastung vom Material kleiner, das Schlagen des Segels nehme ich gerne in kauf 😉
Wie aber ist das “Beste” reffen bei einem Vorwindkurs wenn ich die Windstärke übersehe bzw. durch Düseneffekte diese “sprunghaft” ansteigt? Beispiel bei einem Vorwindkurs habe ich 25knt wahren Wind und möchte das Vorsegel reffen. Gilt auch hier reffen bei auf Vorwindkurs bei diesen Bedingungen? Oder ist es besser ein kontrolliertes in den Wind drehen mit gleichzeitgen auffieren vom Vor und Großsegel? Ohne fieren ist der Kurswechsel nicht ganz unbedenklich..
Hans Kastenhofer
Hallo Otto,
wenn Du bei 25 kt Wind auf Vorwindkurs bist, dann wird Dein Boot so um die 8 kt Fahrt machen, vielleicht auch mehr, und dann hast Du an Bord so um die 18 kt scheinbaren Wind oder vielleicht auch weniger. Da sollte das Einrollen des Segels – hoffentlich nur teilweise – überhaupt kein Problem sein.
Wenn Du aber in dieser Situation “umdrehst”, also das Schiff “in den Wind” stellst, dann hast Du die 25 kt Wind tatsächlich, PLUS den Fahrtwind der Fahrt, die Du brauchst, um weiter Ruderwirkung und damit Kontrolle zu haben, und damit werden es an Deck eher 30 kt sein. Also deutlich mehr als bei Wind von hinten, und dann hast Du auch noch die Welle von vorne, also richtig ideal, um Deine Crew ein wenig zu erschrecken.
Wenn Du auf Vorwindkurs unterwegs bist, werden die Schoten ja wohl ohnehin gefiert sein. Also luvst Du so weit an, bis die Segel drucklos sind (schlagen), und dann kannst Du das Großsegel reffen. Für das Vorsegel ist das wie oben beschrieben nicht notwendig, das rollt sich auf einem “tiefen Raumschotskurs”, also wenn das Vorsegel in der Abdeckung des Großsegels einfällt, noch leichter weg. Und beim Großsegel auch nur dann, wenn es ein Rollsegel ist, also in den Mast gerollt wird. Bei einem Bindereff geht aus auch ganz wunderbar vor dem Wind. Wie das funktioniert siehst Du u.a. bei unserem Segelmanövertraining oder bei unserem Spinnakertraining.
Bis dahin
Handbreit
Hans
Volker König
Zum Beitrag habe ich mehrere Anmerkungen:
1.) ein Einrollen des Vorsegels vor dem Wind kann zu Problemen ( schlecht aufgewickeltes Segel, Vertörnen der Reffleine) führen, die man bei Einrollen bei halbem Wind bzw. amwind vermeidet.
2.) es wird zwar vor dem Vertörnen der Reffleine beim Ausrollen gewarnt, aber keine Abhilfe aufgezeigt. Die Abhilfe ist die Reffleine beim Ausrollen immer leicht auf Zug zu halten.
3.) garnicht erwähnt wird ein Fehler, der zu Verletzungen beim Bedienen der Rollfock führt und riesige Schäden im Rigg erzeugen kann. Bei zunehmendem Wind darf die Reffleine beim Bedienen auf größeren Booten ( ab 30 Fuss) nicht mehr aus der Hand gefahren werden. Die Kräfte werden zu gross um die prinzipbedingt relativ dünne Leine zu halten. Die Leine brennt dann ins Fleisch bis auf die Knochen durch, das Vorsegel schlägt voll ausgerollt bei Starkwind/ Sturm das Rigg kaputt. Als Abhilfe bediene ich die Reffleine mit 1, 2 oder sogar 3 Törns um eine freie Winsch.
4.) bei viel Wind verlasse ich mich auch nicht mehr auf die Klemme zur Fixierung der Reffleine( bei teilweise eingerollter Genua), sonder sichere die Reffleine auf der Heckklampe. Wieder um schadensträchtiges unbeabsichtigt Ausrollen zu verhindern.
Hans Kastenhofer
Danke für Deinen Beitrag. Da ist einiges klarzustellen:
1) Warum sich die Reffleine beim Einrollen des Segels vor dem Wind vertörnen soll, im Wind aber nicht, erschließt sich mir nicht. Beim Einrollen des Segels wird an der Reffleine gezogen, also die Reffleine abgerollt. Das Problem mit der vertörnten Reffleine ist daher schon beim Aufrollen der Reffleine – also dem Ausrollen des Segels – eingetreten. Was sich aber beim Reffen im Wind regelmäßig verheddert ist die “lazy sheet”, also die Luvseitige und nicht belastete Schot. Das Problem gibt es beim Einrollen vor dem Wind nicht.
2) Genau. Ich bin beim Verfassen des Artikels davon ausgegangen, dass dem kundigen Leser das Prinzip einer Rollreffanlage (2 wechselseitig auf- bzw. abgerollte Spulen) vertraut ist.
3) Unser Schulboot hat 40 Fuß, da fahren wir die Reffleine praktisch immer aus der Hand – wie zuletzt bei deutlich über 30 kn Wind – außer, wenn wir bei viel Wind am Wind reffen (*). Eine Vorsegelreffanlage, die bei wenig Druck nicht aus der Hand gefahren, sondern nur über eine Winsch bedient werden kann, ist m.E. zumindest stark Wartungsbedürftig und jedenfalls ein Sicherheitsrisiko.
Es ist eine physikalische Tatsache, dass bei gegebener Windstärke (wahrem Wind) auf Raumschotskurs der Druck im Segel (scheinbare Wind) geringer ist als auf Amwindkurs. Im Fall des Vorsegels kann man den Druck noch weiter verringern, indem man so weit abfällt, bis das Segel in die Abdeckung des Großsegels kommt. Wenn dann das Reff nicht von Hand eingerollt werden kann, dann ist jedenfalls was Faul mit der Rollreffanlage. Wenn man aber natürlich am Wind reffen muss (muss man? (*)), dann wird’s bei viel Wind ohne Winsch nicht gehen.
4) Aber ja, das kann man jedenfalls machen, schadet sicher nicht. Bei so manchem “Segelboot” muss man sogar, weil es für das Fixieren der Reffleine gar keine Schotklemme gibt. Wenn die Schotklemme aber zur Leine passt und beide einigermaßen gewartet sind, dann sollte die Reffleine auch bei echt viel Wind nicht slippen.
(*) Anmerkung: Am Wind reffen wir das Roll-Vorsegel nur, um den Teilnehmern zu demonstrieren, dass das relativ schwer geht, also nur mit der Winsch, mit schlagenden Segel und Schoten. Dann fallen wir ab auf tiefen Raumschotskurs, und siehe da: deutlich reduzierte Dramatik, weniger Druck, entspanntes Einrollen des Segels ohne Druck.
Wie das funktioniert, und wie man auch das Großsegel mit Bindereff vor dem Wind refft, kannst Du Dir gerne mal bei einem unserer Segelmanövertrainings ansehen.
Gernot Fercher
Zum Problem des Vorsegels (Rollgenua), welches sich aus welchen Gründen auch immer nicht mehr einrollen lässt. Das Bergen des Vorsegels durch fieren des Vorsegelfalls sollte wohl immer als letzte Maßnahme gesetzt werden, denn was wenn dann auch noch der Motor streikt? Reicht dann das noch gesetzte Großsegel?
Hans Kastenhofer
Hallo Gernot,
vielen Dank für Deinen Beitrag.
Das Bergen eines Roll-Vorsegels ist jedenfalls kein “alltägliches” Manöver, zu dem man wohl nur dann greifen wird, wenn die Rollreffanlage “streikt”. Was im Übrigen auch bei einem Roll-Großsegel geschehen kann. Wenn dann zu dem Problem noch ein streikender Motor kommt, dann sollte man in einer Position sein, in der man sich mit dem Großsegel allein von allen Hindernissen freihalten kann. Dazu muss man das Boot kennen, mit dem man fährt. Bei unserem Schulboot und den meisten Charterbooten ist es bei zumindest fühlbarem Wind möglich, das Boot nur mit dem Groß zu wenden. Bei dem Boot, das ich letztens über die Biskaya überstellt habe, funktioniert maximal eine Halse, der Unterschied im Platzbedarf kann zu einem bösen Ende führen.
Daher gilt halt einfach immer auf See: “Kenne Dein Spielfeld”. Aber ist das nicht auch sonst im Leben so?