Mitten hinein in die Öffnungsphase nach dem COVID-19 bedingten Shutdown hat das BMVIT am 8.5.2020 mit der JachtVerordnung (JachtVO) 2020 eine neue Prüfungsordnung und damit rechtliche Grundlage für den Erwerb von Seefahrt-Befähigungsausweisen erlassen. Damit ist das nächste Kapitel der endlosen Auseinandersetzung um dieses Thema eröffnet.
Als gewerbliche Seefahrtschule sehen wir diese Änderungen mit gemischten Gefühlen. Prinzipiell ist das Thema “Lizenzen für die Seefahrt” stark mit der “Ausbildung für die Seefahrt” verknüpft, und da gibt es in Europa durchaus langjährig stabil funktionierende Systeme, man müsste also gar nichts erfinden. Gäbe es da nicht diejenigen, denen es primär um das Verkaufen von Scheinen und eigentlich gar nicht um die Vermittlung der für die sichere Führung einer Jacht auf See erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten geht.
Uns geht es primär um Letzteres. Deswegen ist es uns eigentlich auch – fast – egal, ob Du eine österreichische, deutsche oder englische Lizenz erwerben willst, wir machen Dich für Deine Seefahrt fit. Fahren musst nämlich letztendlich Du, keine Lizenz der Welt übernimmt das für Dich. Insofern sind diese andauernden “Schein-” Diskussionen eigentlich entbehrlich.
Trotzdem ist uns als österreichische Seefahrtschule das österreichische Prüfungswesen nicht ganz egal, weil es am österreichischen Markt schlicht die Benchmark für die Seefahrtausbildung darstellt. Diesen Umstand kann man beklagen oder begrüßen, jedenfalls ist das ein Faktum. Und hier gibt es schon einige bemerkenswerte Neuerungen:
Das absolut traurigste Kapitel ist das Signal, das von den Anforderungen an die Prüfer ausgeht. Wenn Du irgendwann mal 5.000 (Fünftausend, nicht Fünfzigtausend) Seemeilen gefahren bis, und in den letzten 5 Jahren (Fünf!) 30 Bordtage (Dreißig!!) gesammelt hast, also immerhin im Durchschnitt der letzten 5 Jahre 6 Tage am Wasser warst, dann bist Du prinzipiell nach der Verordnung als Prüfer und damit Sachverständiger qualifiziert. Und die Prüfungs-Bordtage zählen da mit! Wir werden jedenfalls nicht mit Prüfungsorganisationen arbeiten, die Prüfer auf der Prüferliste ausweisen, die nicht mindestens 100 Bordtage in 5 Jahren zusammenbringen. Keiner unserer Trainer loggt weniger als 100 Bordtage im Jahr, da sind 20 Tage/Jahr für einen Sachverständigen sicher nicht zu viel verlangt.
Das wird Gott sei Dank etwas relativiert durch die deutlich verschärften Unvereinbarkeitsbestimmungen für Prüfer. Damit werden “familieninterne Prüfungen”, bei denen der Papa die Kandidaten des Sohnes prüft, endlich faktisch gesetzwidrig.
Für Dich als Kandidaten gibt es zwei wesentliche Änderungen:
- Es gibt nur mehr BFA (FB1 – FB4) für Jachten mit “Motorantrieb” oder “Motor- und Segelantrieb”. Du musst also für die Erlangung eines Segel-BFA ZWINGEND auch das Motor-Modul bei der Theorieprüfung ablegen.
- Die erforderliche “seemännische Erfahrung” besteht nur mehr aus Seemeilen – und die wurden teilweise massiv reduziert, es gibt keine Bordtage und ab dem FB3 keine Langfahrterfordernisse mehr. Für diese Seemeilen genügen – zumindest für den FB2 – auch Seemeilenbestätigungen.
- Zwischen positiv abgelegter Theorie- und bestandenen Praxisprüfung dürfen jetzt 3 Jahre (statt bisher 2) liegen.
- Die Praxisprüfungen (FB1, FB22 und FB4) wurden erheblich verschärft. Es gibt Pflicht- und “Kür-“Aufgaben, die Pflichtaufgaben müssen zu 100 % bestanden werden, alle Aufgaben gesamt zu 75 %.
Manches klingt jetzt aus “Kandidatensicht” vielleicht ganz gut. Insbesondere der 1. Punkt führt aber zu “Nachprüfungen” in der Übergangsphase. Wer noch vor dem 15. März 2020 eine Theorieprüfung abgelegt hat, kann entweder
- noch bis 31.12.2020 die Praxisprüfung erfolgreich ablegen um damit den BFA basierend auf der alten JachtPRO 2015 zu erlangen (“nur Segel-BFA”),
oder - eine Zusatzprüfung über das “fehlende” Zusatzmodul Motor ablegen, also für diese 10 Fragen (bzw. 9 Fragen im FB1) einen neuen Therieprüfungstermin buchen, mit Prüfungskommission und dem ganzen Verwaltungsaufwand rund herum.
Die entfallenen Langfahrterfordernisse für FB3 und FB4 machen das ganze Dilemma in dieser “Schein”-Diskussion deutlich. Die hauptsächlich aus der Motorboot-Fraktion stammenden Proponenten dieser “Erleichterungen” sehen in den BFA ab FB3 sowieso nur lächerliche Schikanen, wer fährt schon mit der Motorjacht aus dem FB2 hinaus. Dass man mit einem Segelfahrzeug aber problemlos und ganz ohne Tankstelle Ozeane überqueren kann, und es dabei hilft, wenn die verantwortlichen SchiffsführerInnen ihrer Verantwortung Kraft ihrer Erfahrung, Kenntnisse und Fähigkeiten auch nachkommen können, wird dabei außer Acht gelassen. Hauptsache, es werden wieder viele Motor-FB2 verkauft, das leistet diese JachtVO auf jeden Fall.
Wir sind uns auch sicher, dass einige Marktteilnehmer die neue JachtVO als Startschuss für ganz neue Initiativen (“FB2 an einem Wochenende”, das war bisher als Grundlage für das IC illegal) sehen werden. War doch erklärtes Motiv für die Änderung der Prüfungsordnung die “Konkurrenzfähigkeit” mit dem kroatischen Küstenpatent, was schon vom Ansatz her abstrus ist, weil
- das kroatische Küstenpatent keinerlei Erfahrungsanforderung mit keinerlei Praxis-Ausbildungserfordernis paart, und
- die österreichischen Seefahrt-BFA niemals eine Funklizenz enthalten werden.
Wir werden weiterhin unser Ausbildungsprogramm darauf ausrichten, Dir die für die sichere Führung einer Jacht auf See erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in Theorie, vor allem aber in der Praxis zu vermitteln. Bei uns wirst Du auch weiterhin Langfahrten finden, die nicht jeden Abend in einer Marina enden. Damit wirst Du jede Prüfung bestehen: die zur Erlangung Deiner Lizenz, und die der Praxis auf See.
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