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Das Österreichische Prüfungswesen – die unendliche Geschichte

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Die Irrungen im Österreichischen Seefahrt-Prüfungswesen gehen munter weiter. Wir sind mittlerweile bei 15 (in Worten: fünfzehn) Prüfungsorganisationen angekommen, die das gestrenge Zuslassungsverfahren des BmVIT geschafft haben. Diese 15 matchen sich ein um den durchaus überschaubaren Markt von rund 1.800 Seefahrts-Lizenzen pro Jahr. Und weil da noch Zeit bleibt, sind sie schon wieder voll im Infight um die Prüfungsordnung. Aber nicht etwa, um das System zu verbessern – da gäbe es bei Gott genug zu tun, etwa: elektronische Prüfung, einheitlicher Fragenkatalog mit Fragen, die nicht einfach nur peinlich sind, effiziente und kundenfreundliche Administration, etc. Nein, man begibt sich lieber – dem Zug der Zeit folgend – in einen Wettlauf um die Beseitigung von “Hindernissen”, die der möglichst störungsfreien Vermarktung “ihrer” Lizenzen entgegenstehen könnten. Denn darum geht es letztlich in diesem Spiel: Verkauft werden Befähigungsausweise (vulgo “Lizenzen”) und nicht die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten – also Ausbildung.

Vollkommen irrsinnig wird dieser Wettlauf, wenn man sich einmal aus dem Blickwinkel eines Kunden, also Dir als möglichen Kandidaten für einen österreichischen Seefahrt-Befähigungsausweis (BFA) die Frage stellt, warum man sich das überhaupt antun soll. Wenn Du also die Seefahrt kennen und lieben gelernt hast, gerne Deine Freizeit mit Deinen Lieben auf See verbringen möchtest, und dabei auch noch die Verantwortung des Schiffsführers übernehmen magst, dann solltest Du Dich fragen:

Wozu brauche ich einen österreichischen Befähigungsausweis?

Wenn Du als österreichischer Staatsbürger zur See fahren willst, dann musst Du das zwangsläufig im Ausland tun. Also brauchst Du eine Lizenz, die der Staat, in dem Du fahren willst, und Deine Versicherung bzw. ggf. die Versicherung des Vercharterters, dessen Boot zu mietest, anerkennt. Vereinfacht dargestellt anerkennen alle europäischen Staaten für österreichische Staatsbürger die österreichischen Seefahrtslizenzen, und jeweils ihre eigenen. Wenn Du also in Kroatien fahren willst, kannst Du das mit dem österreichischen FB2, oder dem kroatischen “Boat Leader B”. Wenn Du in Deutschland fahren willst, kannst Du das mit dem österreichischen FB2, oder dem deutschen SKS (“Sportküstenschifferschein”), nicht aber mit dem kroatischen “Boat Leader B”, weil den die Bundesrepublik Deutschland nur für kroatische Staatsbürger anerkennt – das gilt übrigens auch für englische Lizenzen für nicht-GB-Bürger.

Wenn Du also nur in Kroatien unterwegs sein willst, dann bist Du mit dem kroatischen Küstenpatent berechtigt, ein Boot auf See zu führen. Ob Du dazu auch befähigt bist, sei mal dahin gestellt.

Wie hängen Ausbildung und Lizenz zusammen?

Unmittelbar gar nicht, und mittelbar total, das ist ja die Crux an der Geschichte:

  • Bei der Ausbildung sollte es um die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten gehen.
  • Eine Lizenz dagegen ist eine Berechtigung.

Das kroatische Küstenpatent berechtigt zur Führung von Jachten jeder Art bis 30 GT (BRT), ohne PS Limit, samt UKW-Sprechfunkt, in kroatischen Küstengewässern. Diese Lizenz bekommst Du nach einer Theorieprüfung in einem Hafenamt, es gibt keine praktische Prüfung und daher auch keine praktische Ausbildung. Ein seriöser Anbieter dieser Lizenz weist auf seiner Homepage darauf hin, dass Du nach einem Samstagnachmittag Theoriekurs – selbstverständlich nach intensivem Heimstudium der didaktisch hervorragenden Unterlagen 🙂 – und erfolgreicher Prüfung im Hafenamt am Sonntag zwar ein Boot führen darfst, aber möglicherweise nicht dazu befähigt bist. Es sei denn, Du buchst ein Skippertraining.

Der vergleichbare österreichische FB2 berechtigt zur Führung einer Jacht (Motor- oder Segel-) bis 24 m Länge im Fahrtbereich 2 (bis 20 sm von der Küste), und enthält KEINE Funkberechtigung. Die Lizenz bekommst Du nach bestandener Theorie- und Praxisprüfung. Sie heißt “Befähigungsausweis”, weil Prüfer einer akkreditierten österreichischen Prüfungsorganisation im Zuge dieser Prüfungen gutachterlich feststellen, ob Du die für die entsprechende Lizenz (den Fahrtbereich) in der Prüfungsordnung vorgeschriebene Mindestbefähigung in Theorie und Praxis hast.

Die Kosten für das kroatische Küstenpatent liegen derzeit bei € 199,- plus Prüfungsgebühren von ca. € 130,-, macht in Summe € 329,- bis zur Lizenz. Die bekommst Du auf jeden Fall, sofern Du Dich halbwegs artikulieren kannst, unabhängig von Deiner Befähigung.

Die Kosten für den österreichischen FB2 (Befähigungsausweis für den Fahrtbereich 2) liegen dagegen bei rund € 600,- für die Theorie samt Prüfungsgebühr und Materialien, sowie € 2.100,- für zwei Praxiswochen samt Prüfung, ohne Reisekosten und Nebenspesen. In Summe werden von € 3.000,- für den FB2 nicht viel abgehen, wenn Du alle Prüfungen beim ersten Antritt bestehst, und dann kommt noch die Funklizenz (UKW, SRC) dazu.

Wieso ist die (österreichische) Lizenz so teuer?

Nach den geltenden Regeln kannst Du einen österreichischen Befähigungsausweis nicht ohne Nachweis Deiner Befähigung in Form einer Theorie- und Praxisprüfung bekommen (Ausnahme: FB3-Upgrade, hier ist für Inhaber des FB2 nur eine Theorieprüfung abzulegen), wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Diese Prüfungen wirst Du ohne ausreichende Praxis nicht bestehen. Die Praxis ist aber der Hauptkostenfaktor in der Seefahrt-Ausbildung. Theoriekurse finden üblicherweise in Deiner Nähe in mehr oder weniger professionellen Schulungsumgebungen statt, die Kosten dafür sollten nicht wesentlich über € 600,- liegen – sofern Du Deine Theorieprüfung beim ersten Mal bestehst. Die Praxisausbildung findet dagegen jedenfalls am Meer statt. Der dafür erforderliche Umfang hängt wesentlich von der Erfahrung ab, die Du mitbringst, wird aber mindestens 2 Wochen betragen. Für eine Ausbildungswoche musst Du – abhängig vom Revier – inkl. Reise- und Nebenkosten wie Verpflegung, Sprit, Gebühren mit € 1.000 aufwärts rechnen. Das übrigens unabhängig davon, ob die Ausbildung “klassisch”, also mit gesondertem Theorie- und Praxiskursen, oder “integriert”, also mit Theorie im Zuge der Praxis am Schiff stattfindet.

Dazu kommt noch, dass Du vor der praktischen Prüfung die  gesetzlich geforderte seemännische Erfahrung nachweisen musst. Für den FB2 bedeutet das – stark verkürzt – 18 Bordtage, 500 sm und 3 Nachtfahrten. Mit 2 Ausbildungstörns allein lässt sich das nicht darstellen, deshalb sind den Kosten für die Erlangung der Lizenz eigentlich auch die Kosten für die Praxistörns hinzuzuzählen.

Legale Abkürzungen gibt es nicht, davor sei hier auch eindringlich gewarnt. Derart erworbene Befähigungsausweise sind nicht nur ungültig, darüber hinaus rechtswidrig erworben und können Dich richtig teuer zu stehen kommen. Und deswegen ist an der Stelle momentan das große Hauen und Stechen im Gange, weil einige Prüfungsorganisationen der Meinung sind, dass die Prüfungsordnung insgesamt und die geforderten Erfahrungsnachweise im Besonderen weit überzogen sind.

Was mache ich also?

Wie wir schon herausgearbeitet haben, hängen Befähigung und Berechtigung (Lizenz) nur mittelbar zusammen. Wenn Du der Meinung bist, ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten zu haben, um ein Boot auf See eigenverantwortlich führen zu können und die Verantwortung für Dich, Deine Crew und die Umwelt übernimmst, dann brauchst Du keine Ausbildung – Du bist schon “befähigt”, sondern nur eine Berechtigung. Wenn Du noch dazu vorwiegend in Kroatien bzw. im Mittelmeer unterwegs sein willst, dann ist das kroatische Küstenpatent für Dich wie gemacht.

Bist Du Dir wegen der Befähigung nicht so sicher, hast aber einige Erfahrung, dann kommt das RYA “Day Skipper Certificate” für Dich in Frage. Das erhältst Du, wenn Du bei einer anerkannten Seefahrtschule der RYA – also z.B. bei uns 🙂 – an einem 5-tägigen Praxiskurs teilnimmst, die erforderliche Erfahrung nachweisen kannst und Dein Ausbildungsskipper danach der Meinung bist, dass Du befähigt bist, ein Boot bei Tag in bekannten Gewässern eigenverantwortlich zu führen. Hier musst Du auch Theorie büffeln, jedenfalls zumindest Navigation, Verkehrsregeln und Meteorologie, aber es gibt keine formale Theorieprüfung. Die RYA Certificates sind in allen Mittelmeeranrainerstaaten, inkl. Kroatien, anerkannt, nicht aber z.B. in Deutschland für Österreicher.

Wenn Du Dir wegen der Befähigung sicher bist, nämlich dass Du keine ausreichende hast, dann brauchst Du eine Ausbildung, die Dich in die Lage versetzt, das zu tun, was Du eigentlich willst, nämlich ein Boot auf See selbständig führen und die sich daraus ergebende Verantwortung zu übernehmen. Sobald Du die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hast, wirst Du ohne Probleme einen österreichischen Befähigungsausweis nach den einschlägigen gesetzlichen Regeln, aktuell insbesondere der Prüfungsordnung (JachtPRO 2015), erwerben können. Das ist unser Anspruch: Wir vermitteln Dir die Fähigkeiten, die Du brauchst, um ein Boot auf See eigenverantwortlich führen zu können, wir drillen Dich nicht primär für die Prüfung für ein bestimmtes Zertifikat.

Leider können selbst wir das nicht immer durchhalten. Manche Theorie-Prüfungsfragen sind derart gestaltet, dass es nicht vorrangig um die Abfrage Deines Wissens geht, sondern darum, ob Du in der Lage bist, die knifflige Fragestellung zu durchschauen. Wir sind aber der Meinung, dass es bei einer Prüfung nicht darum gehen soll, orthografische und grammatikalische Stilblüten zu umschiffen, und bieten deshalb für die Vorbereitung zur österreichischen Theorieprüfung ein eLearning Modul an, mir dem Du Dich auf diese Fragestellungen vorbereiten kannst. Aber wir würden klare, faire, auf die Wissensabfrage gezielte Fragestellungen eindeutig bevorzugen.

Was soll dann also die Aufregung um die Änderung der Prüfungsordnung?

Gute Frage, die schwerlich rational zu beantworten ist.

Rational betrachtet kann nämlich das österreichische (und deutsche, schweizer, englische, …) Lizenzsystem gegenüber dem kroatischen wegen der Praxiskomponente wirtschaftlich niemals wettbewerbsfähig sein. Daher macht es keinen Unterschied, wie viel Erfahrungsnachweis verlangt wird, selbst 1 Bordtag ist 100 % mehr als für den kroatischen “Boat Leader B” erforderlich ist und damit gibt es mit dieser Argumentation nichts zu gewinnen. Aber viel an Reputation zu verlieren, die neuerliche Diskussion über dieses “Scheinthema” hilft niemandem.

Die Diskussion um die Trennung der Lizenzen in Motor- und Segeljacht nach den Kriterien der Jachtzulassungsverordnung ist ähnlich gelagert. Wer schon mal mit einer Motorjacht mit 2 x 500 PS versucht hat, bei Seitenwind ein Speedlimit von 3 kn einzuhalten, weiß, dass das nicht einfach ist. Von Anlegen ganz zu schweigen. Daher macht die Trennung aus dieser Perspektive Sinn. Andererseits ist eine Segeljacht unter Maschine ein – leidlich – motorisiertes Motorboot im Verdrängermodus, und aus dieser Perspektive macht die Trennung keinen Sinn. Leider ist es aber weder administrativ noch legistisch sinnvoll möglich, Motorjachten für die Lizensierung weiter zu unterteilen in “Gleiter” und “Verdränger”, oder Ein- bzw. Mehrmotorige, auch, weil solche Unterteilungen international nicht gebräuchlich und daher nicht exekutierbar sind.

Letztlich liegt das Problem in der weit verbreiteten Irrmeinung, dass man mit einer Ausbildung eine Lizenz quasi automatisch erwirbt.

Wir denken dauernd darüber nach, wie wir unser Ausbildungsangebot besser auf Deine Bedürfnisse abstimmen können. Aus unserer Sicht wäre es daher wesentlich sinnvoller, wenn sich die 15 darüber Gedanken machen, wie das Prüfungswesen moderner, effizienter, praxisgerechter und damit kundenfreundlicher gestaltet werden kann, statt immer wieder an Regelschrauben zu drehen, die substantiell nichts ändern, aber alle verunsichern.

Meint Dein
Hans

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