Immer wieder werden wir gefragt: „Wie ist das so auf Langfahrt auf einem Segelboot?“ Also versuche ich hier mal, euch eine Idee davon zu geben, wie man mit einem Segelboot ein paar tausend Seemeilen pro Monat zurücklegen kann.
Das Boot
Der Titel legt nahe, dass es hier um die BUTTERFLY, also unsere Archambault A40, eine als Performance-Cruiser in Frankreich für den Atlantik konstruierte und gebaute Segelyacht geht, aber eigentlich ist das Boot egal. Es muss nur für des Fahrtgebiet, die Reiseroute und damit zusammenhängend die Crew entsprechend gebaut, ausgerüstet und (see)tüchtig sein. Was heißt das nun wieder?
Fahrtgebiet
Die Butterfly ist für gemäßigte Breiten gebaut, weder zu hohe noch zu niedrige Temperaturen sind an oder unter Deck besonders lustig. Im Cruising Mode haben wir zwar ein Bimini Top und diverse Belüftungsmöglichkeiten, um der Hitze beizukommen, aber Kälte oder gar Eis gehen gar nicht. In den (hohen) Norden wird die Butterfly daher sicher nie fahren, die Momo könnte das aber sehr wohl. Die hat einen vollisolierten Rumpf, Dieselheizung und was man sonst so im Kalten braucht.
Reiseroute
Die Ausrüstung des Bootes muss der Reiseroute entsprechen. Offshore ergeben sich da andere Anforderungen als Inshore. Letztlich geht es bei der für ein Unternehmen erforderlichen Ausrüstung um den Grad an Autarkie – also selbständiger (Über-)Lebensfähigkeit, der für die Reisedauer erforderlich ist. Ein erster Anhaltspunkt für in Österreich zugelassene Yachten kann die mit dem Seebrief vorgeschriebene Ausrüstungsliste sein, die vom Fahrtbereich der Zulassung abhängt. Andererseits kann man die Erfahrungen von Institutionen nutzen, die sich jahrzehntelang mit dem Thema „Sicherheit auf See“ beschäftigen, wie z.B. World Sailing, RYA, USSail, ARC, etc.
Die Anforderungen, die z.B. World Sailing in den Offshore Special Regulations für Rennveranstaltungen (nicht nur offshore) festlegt, machen nach meiner Überzeugung für alle Sinn, die auf See unterwegs sein wollen, und zwar als Mindeststandard. Diese Anforderungen entstammen praktischen Erfahrungen und werden laufend adaptiert, die nächste Änderungen kommt 2026. Die BUTTERFLY erfüllt die Bedingungen der OSR für Kategorie 2, sonst hätten wir nicht beim Fastnet Race teilnehmen dürfen.
Letztendlich solltest Du noch prüfen, ob Deine geplante Route auch von der Versicherung gedeckt ist. Ein kurzer Blick in die Polizze oder ein Anruf bei Deinem Berater bringt hier die notwendige Klarheit.
Die Crew
sollte bei allen Erwägungen im Mittelpunkt stehen. Das bestausgerüstete Boot nützt gar nichts, wenn die Crew nicht im Stande ist, das Fahrzeug sicher vom Start- zum Zielort zu bewegen.
Organisation
Für eine ausgedehntere Seereise braucht es zumindest zwei „Wachführer“ und eine beliebige Anzahl von „Mitreisenden“, die Funktionen an Bord übernehmen können. Wachführer müssen selbständig in der Lage sein, das Boot sicher zu führen, die Mitreisenden ein- und unterweisen (beginnend mit der Sicherheitseinweisung …) und damit eine Crew formen. Seekrankheit hilft dabei nicht.
Aber wie viel Crew braucht es, um „ausreichend bemannt“ zu sein? Das hängt von der Reiseroute und der Ausrüstung des Bootes ab. Wenn es viele Tage non stop auf See geht, ist prinzipiell mehr besser als weniger. Aber es geht auch gut mit zwei, die in der Lage sind „einhand“ zu fahren, also auch mal ein Manöver (Wende, Halse, …) alleine durchzuziehen – wenn das Boot dafür gebaut ist. Größere Manöver wie Segelwechsel wird man im Team erledigen, z.B. beim Wachwechsel.
Ein Boot ist für kleine Crew (maximal „klein“ ist Einhand) geeignet, wenn es von einer möglichst zentralen Position im Cockpit gesteuert werden kann. Die für ein Manöver erforderlichen Elemente (Ruder, Schoten, Fallen, Strecker, Leinen, …) müssen dazu von dort auch bedient werden können. Das kann z.B. mit Hilfe des Autopiloten möglich werden, wenn der dann noch eine Fernbedienung hat – umso besser.
Versorgung
Zu viele Personen an Bord können problematisch werden, auch ganz ohne „menschlichem“ Faktor. Auf jeder Fahrt braucht es pro Tag auf See und Person an Bord ausreichend Nahrung und vor allem Trinkwasser, das gilt natürlich besonders bei langen Ozeanpassagen (Trans-Atlantik oder -Pazifik). Der Bedarf an Trinkwasser ist unterschiedlich in kühleren und wärmeren Gefilden/Zeiten, und das beträchtlich. Und dann wird es nocht sonstiges Süßwasser brauchen, zum Duschen, (Ab-)Waschen, etc., sofern man dafür Süßwasser braucht. Wenn das Boot mit einer Wasseraufbereitungsanlage (Watermaker) ausgerüstet ist, die auch funktioniert, muss nicht so viel Wasser mitgenommen werden wie ohne. Das klingt banal, macht aber nicht zuletzt hinsichtlich der Performance des Bootes einen deutlichen Unterschied. Auf eine Strecke von 3.000 sm macht ein halber Knoten (5 oder 5,5 kn) Unterschied in der Durchschnittsgeschwindigkeit mehr als 2 Tage (54 Stunden) aus. Auf der BUTTERFLY sind – empirisch nachgewiesen – knapp 500 kg ein halber Knoten – mindestens, ab einer gewissen Beladung kommt das Boot nicht mehr in’s gleiten, und dann ist der Unterschied noch deutlich größer.
Ein Watermaker braucht üblicherweise Strom, und zwar nicht zu knapp. Daher braucht es ein entsprechendes Energieversorgungskonzept für das Fahrzeug, das dem geforderten Grad an Autarkie gerecht wird. Sonst geht trotz – oder gerade wegen – dem Watermaker das Wasser aus. Heutzutage ist das Angebot an Stromerzeugern groß und reicht vom Generator am Motor (Lichtmaschine) über Photovoltaik, Wind- oder Wassergeneratoren bis zu Brennstoffzellen. Auf der BUTTERFLY verwenden wir die Lichtmaschine des Motors und (je nach Mode mehr oder weniger) PV-Module zum Laden der Batterien. Dieses „Minimalkonzept“ hat den Nachteil, dass bei Ausfall des Motors (kein Treibstoff mehr) nachts oder bei schlechtem Wetter das Limit der Batterien bald erreicht ist, und dass gebräuchliche Lichtmaschinen ihre Nennleistung erst bei relativ hoher Drehzhl erreichen. Aber das ist eine eigene Geschichte, über die Ladetechnik bzw. die Stromversorgung an Bord ist eine Fülle an Information im Netz verfügbar, vielleicht fügen wir da auch mal unseren Senf dazu.
Gerade auf der Barfußroute über die Ozeane spielen sich hier immer wieder Dramen ab.
Planung
Diese Dramen lassen sich durch Planung vermeiden. Nicht von ungefähr verlangt die SOLAS in der Regel 34 sehr deutlich, dass der verantwortliche Schiffsführer eines seegehenden Fahrzeuges eine bevorstehende Reise plant. Und zwar vollumfänglich, vom Start bis zum Ziel. Und nicht nur Langfahrten, aber hier ist es besonders wichtig. Spätestens bei der Planung sollte dann auffallen, dass es mit 6 Personen an Bord bei nur leicht vorhergesagtem Wind ohne Leichtwindsegel schwer sein wird, die Passage in 3 Wochen durchzuführen, wenn das Fahrzeug mit all dem Notwendigen (Proviant, Wasser, Treibstoff, …) beladen an seine Grenzen stößt.
Kernstück der Passageplanung ist daher eine vollständige Risikobetrachtung, und die beinhaltet jedenfalls die Wettervorhersagen. Dabei gilt: je größer der Ozean und/oder kürzer die Reise umso genauer die Vorhersagen. Bei einer Ozeanpassage wird man gar keine komplette Wettervorhersage, die die gesamte Reisestrecke umfasst, bekommen. Dann muss klar sein, wie man unterwegs an aktuelle Informationen kommt, dafür gibt es mittlerweile eine Reihe an Möglichkeiten. Wir nutzen den Starlink, der funktioniert tadellos (nur mitten im Gewitter nicht) und versorgt uns mit allen relevanten Informationen unterwegs.
In der Planung müssen letztlich alle Faktoren zusammenlaufen: Performance des Fahrzeuges beim gegebenen Ladezustand unter Berücksichtigung von Wetter, Gezeiten und sonstigen Risikolagen (z.B. gebietsspezifische Verkehrslagen, Bedrohungslagen wie Orcas, etc.). Hier sollte man sich auch gleich Ausweichpläne überlegen, also Alternativ-Routen und/oder -Ziele, die man anläuft, wenn irgendwas nicht so gut funktioniert.
Ergebnis der Planung ist ein ausgearbeiteter Passageplan, den gilt es dann auf See umzusetzen, und das funktioniert am Besten mit entsprechender
Routine
Wenn etwas länger dauert, braucht es möglichst klare Prozeduren und Abläufe, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Das gilt natürlich auch ganz besonders unterwegs an Bord.
Wachen
Es ist jedenfalls klar, dass niemand über einen längeren Zeitraum durchgehend wach und leistungsfähig bleiben kann, und für anspruchsvollere Tätigkeiten wird die Zeitspanne entsprechend kürzer sein. Deshalb braucht es ein Wachsystem, also ein Schema, nach dem die Arbeit unter der Crew aufgeteilt wird, also Ruder gehen, Ausguck halten, Segel trimmen, Manöver fahren, navigieren, kochen, Wartungsarbeiten durchführen, etc.
Leider gibt es kein „goldenes“ Rezept für das immer glücklich machende Wachsystem. Auf Reise-Langfahrt, wo die ultimative Performance nicht im Vordergrund steht, sind reine „on/off“ Systeme gebräuchlich, bei denen immer die komplette Wachmannschaft wechselt. Beim Racen etablieren sich mehr und mehr „rollierende“ Systeme, bei denen immer nur ein Teil der Mannschaft wechselt, was eine gleichmäßigere Performance bringt, es gibt keinen abrupten Übergang an Deck. Klingt gut, ist aber einigermaßen komplex. Das Wachschema will also für die bevorstehende Reise und die damit befasste Crew individuell zusammengestellt und abgestimmt sein. Und dann muss es bis zum Ende – zumindest der Etappe -durchgezogen werden. Die Erfahrung zeigt, dass Abweichungen von der Routine unbedingt vermieden werden sollten.
Im Allgemeinen funktionieren Wachsysteme gut, die sicherstellen, dass die Crew ausreichend Ruhezeiten und insbesondere Nachts über die Tage abwechselnde Wachzeiten hat. Wir fahren im Transfer-Mode „on/off“ mit 3 oder 6 Stunden am Tag und 2 oder 4 Stunden Nachts, wobei die „oder“ Werte von der Crewstärke abhängen: Je mehr Crew umso länger „on“. Wenn es die Crewstärke erlaubt ist der Skipper nicht Teil des Wachsystems. Im Race mode full crewed fahren wir ein rollierendes 3on/6off System, also 3 h Dienst und 6 h „frei“.
Ganz wichtig ist die Einhaltung der vereinbarten Wachzeiten, es ist der abziehenden Wache nicht zumutbar, ewig auf das kommende Personal zu warten. Das ist bei der Festlegung des Wachschemas zu berücksichtigen. 4 Stunden „off“ bedeuten u.U. nicht 4 Stunden Ruhezeit. Es ist aber wichtig, dass die Freiwache primär dazu genutzt wird, um für die nächste Wache fit zu sein. Daher zuerst schlafen, den Wecker vielleicht ein wenig früher stellen und dann vor Antritt an Deck noch allfälliges (Hygiene, WC, anziehen, essen, …) erledigen.
Keine Regel ohne Ausnahme: es kann jederzeit eine „all hands on deck“ Situation eintreten, bei der – unabhängig vom Wachsystem und Modus – alle Kräfte an Deck gebraucht werden. Wenn es nicht möglich ist, so eine Phase um einen Wachwechsel zu organisieren, oder bei einem rollierenden Wachsystem, dann muss die normale Routine so rasch wie möglich wieder hergestellt werden.
Ah ja, das Gegenteil von „Wachen“ ist schlafen, und das muss auch irgendwo erledigt werden. Auf Langfahrt werden dafür auf der BUTTERFLY die Heck- und die seitlichen Salonkojen (mit Leesegel) benutzt, im Race mode optimalerweise in Luv.
Essen
Die Energie für die Crew muss irgendwo herkommen. Deswegen ist ausreichende Versorgung essentiell. Wenn es die äußeren Bedingungen möglich machen gibt es daher zumindest einmal täglich, üblicherweise am Abend zum Wachwechsel, eine frisch gekochte warme Mahlzeit, jedenfalls, solange es noch Frischware gibt. Wenn die Bedingungen kochen unter Deck nicht erlauben, nutzen wir gerne Trockennahrung, die einfach im Beutel mit abgekochtem Wasser aufgegossen wird. Das ergibt mittlerweile durchaus genießbare warme Mahlzeiten, und auch der Abwasch nachher ist überschaubar.
Sonst gibt es unter Tags kalte Snacks, das organisiert sich jede Wache selbst nach Bedarf.
Haushalt
Ja, auch unterwegs gilt es, den gemeinsamen Lebensraum einigermaßen bewohnbar zu halten. Das ist manchmal bei raueren Bedingungen gar nicht so einfach, wenn alles nass und klamm ist, ein Mindestmaß an Ordnung an und unter Deck ist aber unabdingbar. Jedenfalls müssen alle sicherheitsrelevanten Dinge immer an den dafür vorgesehenen Plätzen griffbereit sein. Für World Sailing Veranstaltungen ab Kategorie 2 braucht es „Emergency Cards“, also Pläne des Bootes, denen der Stauort dieser Dinge zu entnehmen ist.
Und auch sonst sollte nichts einfach so „herumliegen“. Ladungssicherung ist auf einem Segelboot auf See wichtig, es gibt immer wieder schwere Verletzungen durch im Seegang in der Kabine herumfliegende Gegenstände.
Das gilt besonders für Geschirr und Besteck, die gehören nach Gebrauch gereinigt und verstaut. Nicht auszudenken, was ein herumfliegendes Messer unter Deck anrichten kann.
Die Haushaltsaufgaben sollten im Wachplan berücksichtigt werden. Die täglichen Checks (lt. Logbuch) sowie die Aufgaben vor und nach dem Abendessen erledigt üblicherweise eine Position der jeweiligen „on“-Wache. Welche das ist obliegt dem Wachführer.
Fazit
Planung ist nicht nur der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum, sondern in Form der Passageplanung die Beschäftigung mit den Parametern Deines Reiseprojektes. Wenn klar ist, was das Boot und die Mannschaft können, wie das Wetter wahrscheinlich sein wird und was daher die Reiseroute und -Dauer sein werden, dann steht die wichtigste Entscheidung an: durchführen oder bleiben lassen. Wenn die Reise durchführbar ist, dann ist der Passageplan gleich auch die Grundlage für die praktische Umsetzung.
Wenn Du so eine Passage mal „praktisch“ planen willst, komm in unser Passageplanung Workshop, dort gehen wir den Vorgang an Hand einer „echten“ Passage durch.
Bis dahin!
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